Raimund Harmstorf
ER WOLLTE IMMER DER SEEWOLF BLEIBEN
von KATJA LÜDEMANN
Er ist der Seewolf. Er ist der Mann, der mit seiner Hand eine Kartoffel spielend leicht zerquetschen kann. RAIMUND HARMSTORF ist Theaterdarsteller und zuletzt nur noch ein Schatten seiner selbst. Unfälle, Verletzungen, Krankheit. Wie enttäuscht muss er gewesen sein - am Ende seines Lebens: Selbstmord auf dem Dachboden...
DER ABENTEURER VOM DIENST
RAIMUND HARMSTORF kommt am 7. Oktober 1939 in Hamburg auf die Welt. Seine Jugend wird durch Sport bestimmt. Der große, blonde Junge schafft es zum gefeierten Zehnkampf-Meister. Nach einem abgebrochenem Medizinstudium widmet er sich der darstellenden Kunst. Es folgen erste Bühnenengagements in Hamburg und Berlin sowie bei Tournee-Theatern, die ihn bis nach Südamerika bringen. Ende der 1960er Jahre wird das Fernsehen auf den markanten Burschen aufmerksam, doch erst mit dem Mehrteiler „Der Seewolf“ nach Jack London wird Harmstorf berühmt. Vergessen ist seine Teilnahme in dem pornographischen Streifen „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“.
Die Rolle des rauen Kapitäns Wolf Larsen ist ihm wie auf den Leib geschneidert. Nur die Stimme wird synchronisiert. Sie ist den Produzenten nicht markant genug. Unvergessen bleibt die Szene, in der Harmstorf eine rohe Kartoffel zerquetscht. In späteren Interviews verrät er, dass besagter Erdapfel leicht vorgekocht war. Von da an ist RAIMUND HARMSTORF der Inbegriff des vitalen Abenteurers: Grösse 1,89, Brustumfang 1,07, Taille 0,78 und Bizeps 0,40 m! An der Seite von CHARLTON HESTON und MICHÈlE MERCIER ist er in "Call of the Wild" (1972, Ruf der Wildnis) zu sehen. Als Terroristenführer Heinz Klett in ROLF OLSENS "Blutiger Freitag" (1972) oder in der Verfilmung von Jules Vernes „Der Kurier des Zaren“ als Michael Storgoff brilliert Harmstorf als furchteinflößender Kraftprotz. Trotz dieser Erfolge zieht es den blonden Hünen immer wieder auf die Theaterbühne zurück. Ob bei den Karl-May-Bühneninszenierungen als Old Shatterhand oder als Götz von Berlichingen begeistert er das Publikum.
Der Extremsportler hält sich fit und liebt Paragliding, Surfen und schnelle Motoren. Doch nicht immer geht alles gut. Gebrochene Arme und Beine, eine schiefe Nase – ein Kunstfehler der Ärzte beschert ihm ein Loch im Knie. Beim Dreh für den Kinofilm „Sie nannten ihn Mücke“ schlägt ihm BUD SPENCER zwei Zähne aus, während einer Drehpause wird ihm versehentlich in den Fuß geschossen.
WENN DER RUHM VERBLAST, WÄCHST DIE VERZWEIFLUNG
Der Ruhm verblasst, Harmstorf scheint in Vergessenheit zu geraten. Aber der Naturbursche RAIMUND HARMSTORF will nicht untätig herumsitzen und eröffnet das Fischrestaurant „Zum Seewolf“ - leider ohne großen Erfolg. Nach fünf Jahren muss er sein Lokal schließen. Später werden Vorwürfe seine damaligen Freundin laut, Harmstorf habe sie mit den Schulden sitzen lassen.
Es folgen kleinere Engagements und Gastauftritte in der „Schwarzwaldklinik“ und beim „Tatort“. RAIMUND HARMSTORF lebt zurück gezogen mit Lebensgefährtin Gudrun Staeb im Allgäu. 1994 die Diagnose: Parkinson. Harmstorf lässt nichts an die Öffentlichkeit dringen, hat Angst, seinen Ruf zu verlieren, nimmt Medikamente. Die Nebenwirkungen verursachen Wahnvorstellungen. Er fühlt sich verfolgt und bedroht. Dann wird er mit Tablettenvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert und wieder entlassen. Zuhause der Schock. Zeitungs-Schlagzeilen berichten von seinem Selbstmordversuch. Der sonst so starke Mann zerbricht. „Das ist mein Todesurteil“ sagt er. In der Nacht zum 3. Mai 1998 erhängt sich RAIMUND HARMSTORF auf einem Dachboden seines Bauernhofes. Der Seewolf wird nur 59 Jahre alt. (abc-stars.com)
Date: 09/07/2009
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